4. Sonntag nach Trinitatis

Auf der Seite "Andachten" finden Sie einen einen Gottesdienst von Pfarrer Schröder zum Hören, die Predigt folgt hier als Text und am Ende wieder als PDF verlinkt.

Predigt zum 4. Sonntag nach Trinitatis

Hört Gottes Wort aus dem 1. Buch Mose im 50. Kapitel. Es sind die letzten Zeilen der ganz bekannten Josef-Geschichte, die etwa ein Viertel des gan-zen Buches 1. Mose ausmacht. Diese Geschichte ruft sicherlich Bilder vor das innere Auge. Josef und sein bunter Mantel, den ihm sein Vater schenkte. Josef in der Grube, in den ihn seine Brüder aus Neid warfen. Josef in Ägypten, wohin er als Sklave verkauft wurde und dann einen wunderba-ren Aufstieg erlebte.

Am Ende dieser Geschichte hören wir dies:

15 Die Brüder Josefs aber fürchteten sich, als ihr Vater gestorben war, und sprachen: Josef könnte uns gram sein und uns alle Bosheit vergelten, die wir an ihm getan haben. 16 Darum ließen sie ihm sagen: Dein Vater befahl vor seinem Tode und sprach: 17 So sollt ihr zu Josef sagen: Vergib doch deinen Brüdern die Missetat und ihre Sünde, dass sie so übel an dir getan haben. Nun vergib doch diese Missetat uns, den Dienern des Gottes deines Vaters! Aber Josef weinte, als man ihm solches sagte. 18 Und seine Brüder gingen selbst hin und fielen vor ihm nieder und sprachen: Siehe, wir sind deine Knechte. 19 Josef aber sprach zu ihnen: Fürch-tet euch nicht! Stehe ich denn an Gottes statt? 20 Ihr gedachtet es böse mit mir zu machen, aber Gott ge-dachte es gut zu machen, um zu tun, was jetzt am Tage ist, nämlich am Leben zu erhalten ein großes Volk. 21 So fürchtet euch nun nicht; ich will euch und eure Kinder versorgen. Und er tröstete sie und redete freund-lich mit ihnen. (5.Mose 15-21)

Liebe Gemeinde,

die Josefs-Geschichte ist eine Geschichte voller Brüche. Brüche, die Unheil und Verletzung gebracht haben. Zum Beispiel als die Brüder des Josefs ihn nach Ägypten verkauften und ihrem Vater eine faustdicke Lügen-geschichte auftischten, um ihre Taten zu vertuschen. Aber neben diesen Brüchen der Verletzung und der Lüge sind da auch heilsame Umbrüche. Umbrüche der Vergebung und des Neuanfangs. So auch die Ge-schichte, die wir gerade hörten.

Ja, auf eine ganz schön wechselhafte Zeit kann Josef zurückschauen, als er als alter Mann von 110 Jahren im alten Ägypten sitzt. Wie ist wohl sein Blick zurück?

Meine Güte, wenn ich auf mein Leben zurückschaue, dann wundere ich mich manchmal. Ganz besonders über das Ende, das all die harten Wege genommen haben. Oder soll ich besser sagen, die Gott durch und trotz aller harten Wegen geführt hat. Immer wieder kommt mir dabei dieser eine besondere Tag vor Augen. Unser Vater war gestorben. Und ich merkte, wie das uns alle verunsicherte. Irgendwie war doch auch un-sere Ordnung als Geschwister damit neu aufgestellt. Wie würde es jetzt zwischen uns weitergehen? Ich merkte, dass meine Brüder sich Sorgen machten.

Und das nicht zu Unrecht. Was sie mir alles angetan hatten, konnte man kaum beschreiben. Wenn ich daran zurückdenke, dann werde ich immer noch traurig. Das Gefühl, hinabgeworfen zu werden in den einsamen Brunnen und dann verkauft in die Ferne. Von den eigenen Brüdern. Diese Einsamkeit und dieser Hass, die haben bis heute Spuren hinterlassen. Und wahrscheinlich werde ich die auch nie so ganz abstreifen. Man-ches Mal dachte ich da damals in meiner Wut: „Das verzeihe ich Euch niemals. Heimzahlen möchte ich Euch diese Gemeinheit!“

Doch es kam anders als gedacht. Als sie an diesem besonderen Tag vor mir standen und ich ihnen in die Augen sah, da erkannte ich, dass etwas anders geworden war. Ich sah, dass es Ihnen Leid tat und dass sie bereuten, was sie mir und meinem Vater angetan hatten. Ausradieren konnten sie das nicht. Und doch hatte sich etwas verändert. Als sie so vor mir standen, konnte ich nicht anders als zu weinen. Es überkam mich ein komisches Gemisch aus Traurigkeit und Freude. Ja, es war schlimm, doch nun war es anders ge-worden. Und so sprach ich zu ihnen: „Fürchtet Euch nicht! Ihr gedachtet es böse mit mir zu machen, aber Gott gedachte es gut zu machen.“

In diesem Moment hatte ich ihnen vergeben. Wie genau das ging nach all dem, was passiert war, konnte ich nicht so genau beschreiben. Aber Gott hatte nicht nur meinen Weg durch die schweren Zeiten gelenkt. Er hatte wohl auch mein Herz gelenkt, von der Wut hin zur Vergebung. Am Ende dieses besonderen Tages saßen wir noch lange zusammen und redeten. Und ich spürte, wie die Vergebung Raum geschaffen hatte für einen Neuanfang, für neue Gemeinschaft und Frieden. Wie wunderbar.

Liebe Gemeinde,

Josef hatte harte Zeiten und Verletzungen erlebt. Doch am Ende steht die Vergebung und wir lesen davon, dass er seine Brüder tröstete und ihnen freundlich zuredete. „Er sprach zu ihrem Herzen“ so heißt es im Hebräischen wörtlich. Aus Zwietracht, Neid und Gewalt war in dieser Geschichte Gemeinschaft geworden. Das Vergangene war nicht ausradiert. Aber die die Beziehungen waren geheilt. Was für ein wunderbarer Umbruch der Vergebung.

Doch ehrlich gesagt, finde ich die Geschichte des Josef auch ganz schön herausfordernd. Denn es stellt sich mir die Frage: Ist Vergebung wirklich möglich nach solchen Verletzungen? Der Gedanken „Das verzeihe ich Dir niemals!“ und vor allem das Gefühl der Verletzung können doch so tief sein, dass Vergebung einfach nicht angebracht erscheint. Und ja, dass am Ende böser Wege ein Happy-End steht wie bei Josef, das ist ja auch nicht immer so. Da liegt mir auf der Zunge dem Josef zu sagen: Naja, wenn man am Ende Kanzler von Ägypten ist, dann hat man wohl gut reden.

Ja, die Sätze des Josef können wir wohl nicht als einfache Generallösung zur Vergebung verstehen. Und doch zeigt seine Geschichte uns Wichtiges auf. Er hatte ja ein brüchiges und umbrüchiges Leben wie das viele Menschen auch heute erleben. Und in einem solchen Leben geht es ohne Verletzungen nicht ab. Doch der Teufelskreis der Verletzungen wurde heilsam durchbrochen. Statt dem „Das zahle ich Dir zurück“ stand das „Ich vergebe Dir“. Und erst durch Vergebung kamen die Brüder wieder zusammen.

Möglich war das, weil Josef Gott mit im Blick hatte. Weil Josef vertraute und auch erkannte, dass das letzte Wort über sein Leben nicht bei seinen Brüdern gelegen hatte. Sondern dass dieses letzte Wort immer Gott gehabt hatte. Deshalb konnte er verzeihen. Weil er Gott erkannte, der ihn trotz allem und durch allem geführt hatte.

Seid barmherzig wie auch euer Vater barmherzig ist. Heute wurden wir aus der Epistel erinnert an die Jah-reslosung. Diese weist auch unseren Blick auf Gott und sein Handeln an uns. Dieses Wort sagt uns zu, dass Gott selbst barmherzig ist. Dass er mit Vergebung uns begegnet trotz aller Verletzungen, die die Sünde gebracht hat. Und die weit geöffneten Arme am Kreuz sind dafür das beste Zeichen. Dort steht als letztes Wort nicht Zorn, sondern Vergebung für Dich und mich.

Im Vertrauen und in der Nachfolge dieses barmherzigen Gottes kann möglich werden, was uns manchmal unmöglich scheint. Dass Vergebung geschieht und neues Leben möglich macht. Das schenke uns unser barmherziger Gott.

Amen.

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