Gottesdienst zum 1. Sonntag nach Trinitatis

Auf der Seite "Andachten" finden Sie einen einen Gottesdienst von Pfarrer Schröder zum Hören, die Predigt folgt hier als Text und am Ende wieder als PDF verlinkt.

Predigt zum 1. Sonntag nach Trinitatis

14. Juni 2020, Apostelgeschichte 4,32-37 

Die Gabe des Gebens 

Liebe Gemeinde, 

wie war das wohl damals in der aller-aller-allerersten Christengemeinde? Jerusalem, kurz nach dem Pfingstfest. In der Stadt hört man noch immer, wie Menschen von diesem besonderen Tag erzählen: „Plötzlich hatten sie alle in anderen Sprachen gesprochen, dieses Jesus-Leute.“ Seither waren immer mehr Menschen zu ihren Versammlungen gegangen, um es genauer zu erfahren. 

Der Evangelist Lukas lässt uns heute einen Blick in diese Versammlung der allerersten Christengemeinde werfen. Denn er setzt sein Evangelium fort und schreibt die Apostelgeschichte, die Geschichte der ersten Christen. Und da hören wir im 4. Kapitel: 

Die Menge der Gläubigen aber war ein Herz und eine Seele; auch nicht einer sagte von seinen Gütern, dass sie sein wären, sondern es war ihnen alles gemeinsam. Und mit großer Kraft bezeugten die Apostel die Auferstehung des Herrn Jesus, und große Gnade war bei ihnen allen. Es war auch keiner unter ihnen, der Mangel hatte; denn wer von ihnen Land oder Häuser hatte, verkaufte sie und brachte das Geld für das Verkaufte und legte es den Aposteln zu Füßen; und man gab einem jeden, was er nötig hatte. Josef aber, der von den Aposteln Barnabas genannt wurde – das heißt übersetzt: Sohn des Trostes –, ein Levit, aus Zypern gebürtig, der hatte einen Acker und verkaufte ihn und brachte das Geld und legte es den Aposteln zu Füßen. (Apostelgeschichte 4,32-37) 

I.

Wow, mich lässt dieser Bericht staunen. Was für eine Gemeinschaft, von der wir hier hören! Die Gläubigen waren „ein Herz und eine Seele“. Kann Gemeinschaft zwischen Menschen noch enger sein? Die Gläubigen verkauften alles, was sie hatten, und teilten es untereinander. Kein einziger hatte Mangel. Kann es größeren Einsatz füreinander geben als diesen? 

Lukas erzählt in extremen Worten und Bildern. So extrem, dass es mich schon wieder skeptisch werden lässt. Ja, war das wirklich so? Oder malt Lukas hier in rosa-roten Farben. Ist das nicht etwas zu ideal? Zu schön, um wahr zu sein? 

Lesen wir in der Apostelgeschichte weiter, dann relativiert Lukas selbst dieses Bild der idealen Gemeinschaft. Direkt nach seiner Gemeindebeschreibung erzählt er nämlich von Hananias und Saphira. Die wollten einen Teil des Geldes von ihrem verkauften Feld behalten, taten aber so, als würden sie alles der Gemeinde geben. Und schon kurz darauf hören wir davon, dass es zum Streit kommt, weil die griechischen Christen bei der Essensverteilung ihren Leuten immer eine Portion mehr gaben. 

Also, so ganz ideal war die Gemeinschaft offenbar auch nicht. Schon damals menschelte es auch in der Kirche. Und doch gibt es ja einen Grund für diesen staunenswerten Bericht des Lukas. Die ersten Christen scheinen – bei allen Brüchen - doch auf eine ganz besondere Art und Weise miteinander umgegangen zu sein: Sie nahmen Anteil am Anderen und waren sogar bereit, ihr Hab und Gut miteinander zu teilen. Ich finde das sehr verblüffend. Liegt uns Menschen doch eigentlich das „Mein ist mein“ viel näher. 

II. 

Doch ein Blick in die Geschichte der Kirche zeigt, dass es dies immer wieder bei den Gläubigen gab: Anteilnahme und Anteilgabe. 

Im zweiten Jahrhundert berichtet der Kirchenvater Tertullian davon, dass viele römische Bürger auf die Christen schauten und sagten: „Schaut, wie lieb sie einander haben und bereit sind, das Leben füreinander zu geben.“ (Apologeticum 39,7) In den ersten Christengenerationen gab es vielerorts einen sogenannten Liebes-

Kommunismus, der Umstehende begeistert hat: Die Christen teilten ihr Eigentum miteinander, sodass jeder genug hatte. Nicht erzwungen. Dass das zum Scheitern verurteilt ist, zeigt die Weltgeschichte vielfach. Nein, sie teilten aus freien Stücken. Sicherlich spielte hier eine große Rolle, dass sie fest davon ausgingen, Jesus würde in wenigen Jahren wiederkommen. Was sollte man dann mit großem Eigentum noch anfangen? Aber im Ohr wird ihnen auch Jesu Wort über das Geld gewesen sein. Wie schnell Geld uns zum Mammon werden kann und wir unser Herz so ganz und gar daran verlieren können. Und davon zeugt ja unsere kapitalistische Konsumgesellschaft Tag für Tag. Nebenbei: Auch von dieser Versuchung des Geldes gibt die Kirchengeschichte viele traurige Beispiele. 

Im 13. Jahrhundert wollte ein Mann Namens Franziskus daher nichts mehr wissen vom Geld. Franz von Assisi, Sohn eines wohlhabenden Händlers, gab alles Geld weg und kümmerte sich um arme Menschen seiner Zeit. Daher rührt sein Spitzname pater pauperum, der Vater der Armen. Es ist wohl nicht ohne Grund, dass der heutige Papst ihn zu seinem Namensgeber gemacht hat. 

In der Reformationszeit vertraten Martin Luther und seine Mitstreiter eine andere Position zu Geld und Eigentum: Zum Leben in dieser Welt gehört es dazu. Jedoch als Christ immer so, dass es die Möglichkeit schafft, damit auch meinem Nächsten zu dienen. In vielen Kirchenordnungen, die in dieser Zeit entstanden, kam daher der sog. „Gemeine Kasten“ vor. In diesen gemeinsamen Geldkasten sollte die Gemeinde Geld sammeln, um damit den Bedürftigen helfen zu können. 

„Die Liebe gehört zu mir wie der Glaube“, so begründete im 19 Jahrhundert Johann Hinrich Wichern sein diakonisches Engagement. Er hatte die Waisenkinder Hamburgs gesehen und Mitleid gehabt. Darum gab er sein seine Kraft, seine Zeit und sein Geld und schuf das Raue Haus für sie, ein Ort der Geborgenheit. Bis heute erleben wir in vielen diakonischen Einrichtungen die Frucht seines Wirkens. 

Immer wieder ziehen sich durch die Geschichte des christlichen Glaubens Spuren solcher Liebe, wie sie schon Lukas berichtete. Da sehen Christen und Christinnen den Mangel des Nächsten und nehmen Anteil. Da sehen sie ab von ihrem eigenen Hab und Gut und geben ab – geben Anteil. 

III.

In der Apostelgeschichte gibt uns Lukas einen Hinweis auf den Grund dafür. Er erzählt von der ersten Gemeinde nämlich auch dieses: 

„Mit großer Kraft bezeugten die Apostel die Auferstehung des Herrn Jesus, und große Gnade war bei ihnen allen.“ 

Nicht nur die Gütergemeinschaft kennzeichnete die erste Christengemeinde. Es war vor allem dieses: Die frohe Botschaft von Jesus Christus war mit großer Kraft in der Gemeinde. Und diese Botschaft ist Kraft und Antrieb für das Leben der Gemeinde, das Leben in der Liebe. 

Denn durch Jesus Christus erkennen wir: Gott nimmt Anteil an unserem Leben. Er bleibt nicht fern und für sich. Gott selbst wird Mensch, um unseren Mangel zu stillen. Er nimmt Anteil an unserem Leiden und Sterben. Niemals sind wir allein. Unser Gott ist ein Gott der Anteil nimmt, aus Liebe. 

Und Gott gibt Anteil in Jesus Christus. Seine Auferstehung ist kein einmaliges Datum der Geschichte. Er nimmt uns durch die Taufe in seine Auferstehung mit hinein. Wir dürfen im Glauben und Vertrauen Anteil haben an seinem Leben, schon jetzt und einmal in Ewigkeit. Denn unser Gott ist ein Gott der Anteil gibt, aus Liebe. 

IV.

Liebe Gemeinde, möge der Gott der Liebe es uns geben, dass wir seine verwandelnde Kraft erfahren. Und entdecken, wo auch wir ihm in seinen Spuren nachfolgen können. Es sind die Spuren der Liebe, die Anteil nimmt und Anteil gibt. Spannend wie eine Christengemeinde aussieht, die sich auf diesen Weg begibt. Amen. 

Pfarrer Daniel Schröder, Zionsgemeinde Steeden  

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