Gottesdienst zum 14. Sonntag nach Trinitatis

Auf der Seite "Andachten" finden Sie einen einen Gottesdienst von Pfarrer Schröder zum Hören, die Predigt folgt hier als Text und am Ende wieder als PDF verlinkt.

Predigt zum 14. Sonntag nach Trinitatis

1 Und er ging nach Jericho hinein und zog hindurch. 2 Und siehe, da war ein Mann mit Namen Zachäus, der war ein Oberer der Zöllner und war reich. 3 Und er begehrte, Jesus zu sehen, wer er wäre, und konnte es nicht wegen der Menge; denn er war klein von Gestalt. 4 Und er lief voraus und stieg auf einen Maulbeerfeigenbaum, um ihn zu sehen; denn dort sollte er durchkommen. 5 Und als Jesus an die Stelle kam, sah er auf und sprach zu ihm: Zachäus, steig eilend herunter; denn ich muss heute in deinem Haus einkehren. 6 Und er stieg eilend herunter und nahm ihn auf mit Freuden. 7 Da sie das sahen, murrten sie alle und sprachen: Bei einem Sünder ist er eingekehrt. 8 Zachäus aber trat herzu und sprach zu dem Herrn: Siehe, Herr, die Hälfte von meinem Besitz gebe ich den Armen, und wenn ich jemanden betrogen habe, so gebe ich es vierfach zurück. 9 Jesus aber sprach zu ihm: Heute ist diesem Hause Heil widerfahren, denn auch er ist ein Sohn Abrahams. 10 Denn der Menschensohn ist gekommen, zu suchen und selig zu machen, was verloren ist.(Lukas 19,1-10)

Liebe Gemeinde,

ein Tag, der das Leben veränderte. Von so einem Tag erzählt die Geschichte, die wir heute hören. Denn Zachäus erlebt etwas ganz Besonderes. Ab jetzt ist nichts mehr wie es war. Aber eines nach dem anderen.

Werfen wir direkt einen Blick nach Jericho.

Wie jeden Tag sitzt Zachäus in seinem Zollhäuschen am Stadttor von Jericho. Seit vielen, vielen Jahren treibt er nun schon den Zoll für die Römer ein, die hier das Sagen haben. Jeder, der durch die Stadt reisen will, muss bei ihm Geld zahlen. Ein ganz schön attraktives Geschäft für Zachäus. Denn, keiner schreibt ihm vor, wieviel Geld er nehmen kann. So lehnt er sich zurück in seinem weich gepolsterten Sessel und genießt den Sonnenschein.

Plötzlich hört er Getuschel. „Was sagen sie da? Jesus kommt, hier nach Jericho?“ Auch wenn sonst kaum einer mit ihm das Gespräch suchte, hatte er doch von diesem Jesus schon gehört. Ein besonderer Mensch musste das sein. Zachäus überlegt nicht lang. „Wenn Jesus in meine Stadt kommt, dann will ich das nicht verpassen.“ Also schließt er schnell seinen Zoll, legt sich sein neues Ausgehgewand an und schlüpft in seine Lederschuhe. Auf, Zachäus.

Doch was ist das? Die Stadt ist voll von Leuten. Alle wollen sie wohl Jesus sehen. Ein echtes Problem. Denn Zachäus ist klein. Ein Platz in den hinteren Reihen bringt ihm also überhaupt gar nichts. Doch da ist noch ein weiteres Problem. Die Leute würden ihm ganz bestimmt nicht helfen oder vorlassen. Eher schon würde er Ellenbogen kassieren. Denn schon nach wenigen Metern hatte er sie miteinander reden hören: „Schaut mal da, der kleine dicke Zöllner. Der will wohl auch zu Jesus. Dieser Sünder wird schon sehen, wie Jesus ihm die Meinung geigt.“ Zachäus tat so als würde er all das nicht hören. Aber es traf ihn schon, wie die Leute so über ihn redeten und ihn damit sozusagen in Schubladen steckten.

Liebe Gemeinde,

Schubladen gibt es in unseren Köpfen jede Menge. Die Reichen. Die Abgehängten. Die Dummen. Die Schlauen. Die Rechten. Die Linken. Die Männer. Die Frauen. Schublade auf und Mensch rein. Es ist doch so schön einfach, klare Vorstellungen davon haben zu können, wie jemand ist. Man muss nur auf die Schubladen schauen und weiß Bescheid.

Doch wo wir Menschen – im Bilde gesprochen - in Schubladen stecken, da sehen wir am Ende gar nicht mehr die Person selbst. Kein Mensch passt in irgendeine Schublade. Zachäus war DER Zöllner und DER Sünder. Aber wer sieht eigentlich ihn selbst, als den, der er ist?

Zurück nach Jericho.

Nun ja, auf die Hilfe der anderen kann Zachäus also nicht hoffen. Doch Gott sei Dank ist er ja nicht auf den Kopf gefallen. Pläne schmieden und durchziehen, das ist sein Ding. Also läuft er einige hundert Meter voraus. Er ahnt, welchen Weg Jesus durch die Stadt nehmen würde. Und so klettert er auf den alten Maulbeerbaum, auf dem sonst die Kinder spielten und kletterten. Wie gut, dass das Laub noch dicht auf den Zweigen hängt. So kann er sich gut verstecken und hat doch einen tollen Ausblick. Zachäus klopft sich selbst auf die Schulter für diese tolle Idee. „Respekt, Alter!“

Da kommt die Menge auch schon. Zachäus sitzt nun ganz still im Baum und schaut. Bloß jetzt nicht rascheln. Doch plötzlich beginnt sein Herz zu pumpen. Jesus schaut ihn an und spricht zu ihm: „Zachäus, komm schnell runter. Ich muss heute in dein Haus kommen.“ Zachäus sitzt da mit offenem Mund und weiß zuerst gar nicht, was er sagen soll. Da hört er Stimmen aus der Menge. „Ach so, der heißt Zachäus. Weiß Jesus nicht, dass das ein Zöllner und Sünder ist.“ Noch immer schaut Jesus zu Zachäus hinauf. Jesus blickt ihn an.

Jesus blickt Zachäus an und nennt ihn bei seinem Namen. Das ist anders als erwartet und anders als für Zachäus gewohnt. Jesus steckt ihn nicht eine Schublade. Jesus sieht den Menschen Zachäus. Er ruft ihn bei seinem ganz eigenen Namen und will zu ihm, in sein Haus. Das ist das Lebensverändernde, das Zachäus an diesem Tag erfährt. Bei Jesus ist er gesehen und angenommen. Jesus schaut nicht zuerst auf das, was Zachäus verbockt hat oder was man ihm ankreiden kann. Jesus schaut zuerst auf den Menschen und nimmt ihn liebevoll an.

Zurück nach Jericho.

Nun sitzen Zachäus und Jesus beisammen. Zachäus hat einen Tee gekocht für seinen Gast und bestes Gebäck aufgetischt. Gemeinsam sitzen sie und reden sie. Zachäus staunt: „Unfassbar. Jesus kommt in mein Haus und setzt sich zu mir. Und das ohne Vorwurf und Beschuldigung. Er sieht mich als Zachäus.“ Da überkommt es ihn: „Jesus, ich weiß selbst, dass ich einiges falsch gemacht habe. Das will ich ändern. Und wem ich zu viel Geld abgezogen habe, dem will ich es vielfach wiedergeben.“

Zachäus will sein Leben grundlegend verändern. Dass Jesus ihn dazu aufgefordert hätte, erzählt Lukas nicht. Aber davon, dass Jesus ihn ansah, beim Namen nannte und in sein Haus kam. Und ich glaube, genau dadurch hat Jesus den Zachäus verändert. Wo mir Anschuldigungen und Vorwürfe begegnen, da gehe ich schnell in die Verteidigung. Wo mir aber jemand mit Annahme begegnet, da ist Raum für Veränderung. Wo ich erfahre, dass ich als Person angesehen und wertgeschätzt bin, da kann ich es auch wagen, eigene Fehler einzugestehen. Da kann dann das Leben neu werden.

Nun stehen sie in der Tür und nehmen Abschied. Zachäus spürt eine tiefe Freude in sich. Jesus sieht das. Da schaut er in die Menge, die die ganze Zeit vor der Tür auf ihn gewartet hat. „Heute ist diesem Hause Heil widerfahren, denn auch er ist ein Sohn Abrahams. Denn der Menschensohn ist gekommen, zu suchen und selig zu machen, was verloren ist.“

Amen.

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