Gottesdienst zum 2. Sonntag nach Weihnachten

Auf der Seite "Andachten" finden Sie einen einen Gottesdienst von Pfarrer Schröder zum Hören, die Predigt folgt hier als Text und am Ende wieder als PDF verlinkt.

Predigt zum 2. Sonntag nach Weihnachten

Liebe Gemeinde,

Ein Satz über die Bedeutung der Weihnachtsbotschaft ist mir in Er-innerung geblieben. Ich kann nicht mehr sagen, von wem er stammt. Er geht so (oder so ähnlich): „Wenn du erfahren willst, was Weihnachten wirklich bedeutet, dann musst du dich beugen und herunterschauen in die Krippe. Dort findest du Gott, nicht oben im Himmel.“ Wahrscheinlich ist mir dieser Satz in Erinnerung geblieben, weil er sich nach guter Theologie anhört: Gott ist im Jesuskind zu finden! Nach unten beugen ist angesagt, nicht nach oben recken. Eine schöne Weihnachtsbotschaft. Es hört sich so vertraut an, dass Gott ein kleines Kind wird und dass ich ihn nicht irgendwo da oben zu suchen brauche, sondern er im Stall ist, als Baby bei den Menschen, noch dazu in einer armen Familie auf Wanderschaft. So vertraut ist das, dass es aber auch irgendwie harmlos ist.Mir kommen die immergleichen Krippen-spiele in den Kopf in den immer vollen, unruhigen Kirchen am Heiligen Abend. Die Aufführungen en-den immer an dergleichen Stelle: Da liegt es, das süße Jesuskind und bekommt Besuch. „Holder Knabe mit lockigem Haar.“ Dann singt die Gemeinde noch „O du fröhliche“ und alle gehen mit gewärmten Herzen nach Hause, denn wir haben ja das Kind gesehen.

In diesem Jahr geht Weihnachten anders. Nicht nur, weil wir kein ‚normales‘ Krippenspiel hatten. Nein, wir haben für diese Predigt sogar einen Bibeltext, der nicht möchte, dass wir uns beugen, um herun-terschauen in die Krippe. Im Gegenteil:

Unser Predigtwort lenkt unsere Weihnachtsblicke nach oben. So steht im Brief an die Hebräer im 1. Kapitel:

1 Nachdem Gott vorzeiten vielfach und auf vielerlei Weise geredet hat zu den Vätern durch die Propheten,

2 hat er zuletzt in diesen Tagen zu uns geredet durch den Sohn, den er eingesetzt hat zum

Erben über alles, durch den er auch die Welten gemacht hat.

3 Er ist der Abglanz seiner Herrlichkeit und das Ebenbild seines Wesens und trägt alle Dinge mit seinem kräftigen Wort und hat vollbracht die Reinigung von den Sünden

und hat sich gesetzt zur Rechten der Majestät in der Höhe

4 und ist so viel höher geworden als die Engel, wie der Name, den er ererbt hat, höher ist als ihr Name.

(Hebräer 1,1-4)

In dieser Weihnachtsbotschaft ist Jesus nicht das liebliche Kind in der Krippe, sondern der, durch den die ganze Welt gemacht ist, der Abglanz Gottes, das Ebenbild des Allerhöchsten, das Opfer für die Sünde der Welt, der Weltenherrscher, die Majestät über den Engeln

Ein Krippenspiel mit diesem Inhalt ist wohl eine ganz neue Herausforderung. Wie wollte man das um-setzen? Und würde das überhaupt jemand zu Weihnachten sehen und hören wollen? Bei manch her-kömmlichen Krippenspielen wird die Menschlichkeit Jesu so sehr betont, dass seine Göttlichkeit ver-blasst. Hier hingegen liegt das ganze Gewicht auf seiner Göttlichkeit. 

Der Schreiber des Hebräerbriefes, er selber will anonym bleiben, führt uns in den vorgelesenen Versen eine ganze Liste göttlicher Eigenschaften Jesu vor: Jesus ist (1.) der, durch den die ganze Welt ge-macht ist. Jesus und der Vater gehören immer schon zusammen. Sie sind zusammen mit dem Hl. Geist ein Gott – unteilbar. Es gibt keine Zeit, in der der Sohn noch nicht da war. Also war er auch bei der Schöpfung der Welt dabei. Es gibt noch viele andere Bibelstellen, die uns davon berichten. Jesus ist nicht erst im Leib der Maria erst entstanden. Der ewige Gottessohn ist in ihr und durch sie Mensch geworden und als solcher geboren. Das war aber keine Neuschöpfung Gottes, so wie wir als Kinder aus dem Nichtsein kamen. Sondern Gott hat in seinem Sohn die Welten und seine Gestalt gewechselt. „Geboren, nicht geschaffen“ bekennen wir im Nizänischen Glaubensbekenntnis.

Immer also, wenn wir von Jesus lesen und hören, haben wir es nicht nur mit einem Menschen zu tun, sondern mit dem ewigen Gott. Deshalb wird er im Hebräerbrief (2.) auch Abglanz der Herrlichkeit Gottes genannt. Niemand von uns hat Gott je gesehen (vgl. Joh 1,18). Gott von Angesicht zu Angesicht sehen, also ohne Maskierung, bei ihm zu sein ohne Abstand und Sicherheitsmaßnahmen steht uns Menschen nicht zu. Diese Grenze bleibt noch. In Jesus aber wurde Gott sichtbar. Jesus ist der Abglanz seiner Herrlichkeit. Er wird von seinem Vater angestrahlt und strahlte diese Herrlichkeit ab zu uns Menschen. Die Herrlichkeit Gottes wird in ihm nicht schwächer, aber für uns Menschen erkennbarer. Weil wir den Glanz in Menschen sehen können, wurde Gott ein Mensch, so dass wir einen Blick auf seine Herrlichkeit schon jetzt erhaschen können. Dem Autor des Hebräerbriefs ist diese Aussage so wichtig, dass er noch ein zweites Bild bemüht. Jesus ist das Ebenbild Gottes. Das griechische Wort, das hier mit Ebenbild übersetzt wird, bedeutet eigentlich ‚Abdruck‘. Gedacht ist an ein warmes Stück Wachs in das ein Herrscher seinen Siegelring eindrückt. Wenn der Ring weggenommen wird, erkennt man in dem Wachs den perfekten Abdruck des Siegels. Jesus ist der genaue, perfekte Abdruck des un-sichtbaren, allmächtigen Gottes. In ihm erkenne ich, wer Gott für mich ist. Wenn wir Jesus anschauen, wie liebevoll und fürsorglich er mit den Armen, Einsamen und Kranken umgegangen ist, dann sehen wir darin Gottes hingebungsvolle Liebe, die uns gilt.

Seine Liebe erkennen wir besonders klar im Tod Jesu für uns am Kreuz von Golgatha.

Auch darauf kommt der Autor unserer Weihnachtsbotschaft zu sprechen. „Der Sohn (…) hat (3.) voll-bracht die Reinigung von den Sünden“ schreibt er. Das sprengt nun endgültig die Vorlagen her-kömmlicher Krippenspiele. Das Kind, was da in einer Futterkrippe aus Holz liegt, ist gekommen, um am Holz des Kreuzes unsere Sünden zu tragen. Jesus, der von seinem Ziehvater Josef das Zimmer-mannshandwerk erlernte, der wusste wie weh schon ein kleiner Holzsplitter unter der Haut tun kann; dessen Hände und Füße wurden ans Holzkreuz geschlagen um unserer willen.In einem Lied aus unse-rem blauen Liederbuch (CoSi) wird diese Verbindung von Weihnachten zu Karfreitag und Ostern sehr anschaulich gezogen:

„Maria, ahntest du, dass dein kleiner Sohn

einst über Wasser gehen wird?

Hast du es geahnt, dass dein kleiner Sohn

unsre Kinder retten wird,

dass dein Kind, dem du Leben gabst,

dir neues Leben gibt,

Maria, hast du geahnt, (dass) dein Kind,

das du getragen, dich einmal tragen wird?

Maria, wenn du ihn küsst, ahntest du,

dass du in Gottes Angesicht küsst?

Ahntest du, dass dein kleiner Sohn als Lamm die Sünde trägt?

(CoSi 510 – Mary, did you know

Ob Maria es ahnte, wissen wir nicht. Aber Jesus wusste um diesen Auftrag von seinem Vater. Darauf steuerte sein ganzes Leben zu. So machen die Evangelien einen großen Sprung im Leben Jesu, berich-ten fast nichts von seiner Kindheit und Jugend, sondern setzen in ihrem Bericht an der Stelle wieder ein, wo er sich von Johannes taufen lässt. Da beginnt seine Wanderschaft, die ihn schließlich nach Je-rusalem und nach Golgatha führt. Am Beginn dieses Weges spricht er zu Johannes: „Lass es jetzt zu. Denn so gebührt es uns, alle Gerechtigkeit zu erfüllen.“ (Mt 3,15) Seine ersten überlieferten Worte handeln von der Gerechtigkeit, die er uns durch sein Sterben und Auferstehen schenken wird.

Aber zurück zum Hebräerbrief. Die Göttlichkeit Jesu findet am Kreuz kein Ende. Jesu Weg führt weiter nach oben, zurück zu seinem Vater. „Der Sohn hat sich (4.) gesetzt zur Rechten der Majestät in der Höhe und ist so viel höher geworden als die Engel.“Die Menschen, an die der Hebräerbrief geschrie-ben wurde, hielten sehr viel von Engeln. Sie waren ihnen lieb und sie verehrten sie. Sie kamen ihrer Stellung nach gleich nach Gott aber weit über den Menschen. So sahen sie in Jesus auch einen Engel, so wie Gabriel und Michael und Raphael. Engel aber sind Geschöpfe Gottes, die ihn anbeten und ihm dienen sollen. Wie wir aber schon gehört haben, ist Jesus kein Geschöpf seines Vaters, sondern er steht mit ihm auf einer Stufe: „Gott von Gott, Licht vom Licht, wahrhaftiger Gott vom wahrhaftigen Gott“ (Nizänum). Wer in Jesus nur einen Engel sieht, der hat seine Göttlichkeit noch nicht erkannt; der hält zu wenig von ihm.

Liebe Gemeinde, ich breche an der Stelle ab. Es wäre noch so viel über die Göttlichkeit Jesu zu sagen. Aber nicht in dieser Predigt. Noch erklären muss ich aber, wie sich die Göttlichkeit Jesu mit dem Beu-gen über das Menschenkind in der Krippe verhält. Bedeutet Weihnachten nun sich hinunter zu beugen zur Menschlichkeit Jesu oder sich nach oben zu strecken zu seiner Göttlichkeit? Um das zu erfahren müsst ihr mit mir nach Betlehem kommen. Dort wird bis heute jedes Jahr Weihnachten gefeiert an einem besonderen Ort. Über der Höhle, die als Stall diente und in der man annimmt, dass Jesus geboren wurde, wurde eine Kirche errichtet. Die Geburtskirche ist die älteste erhaltene und ununterbrochen genutzte Kirche im Heiligen Land. Einst hatte sie ein prächtiges, 5,5m hohes Eingangstor! Das hat man aber seit vielen Jahren zugemauert. Jetzt müssen sich die Besucherinnen und Besucher tief bücken, um durch die nur 1,20 m große Türöffnung überhaupt reinzukommen. Die für die Pflege der Kirche Verantwortlichen haben irgendwann das große Tor zugemauert, weil sie es satthatten, dass jeder vor Macht strotzende Eroberer von Bethlehem demonstrativ mit dem Pferd in die Kirche meinte reiten zu müssen. Jetzt mussten sie runter vom hohen Ross, wenn sie sich dem Christkind nähern wollten…

Das gilt auch für uns heute: Wer sich dem inneren und eigentlichen Kern von Weihnachten, dem Kind in der Krippe, nähern will, der muss sich beugen. Je größer man ist, desto weiter muss man sich bücken um rein zu kommen.

Kinder haben es da leichter.

Also ja, wir beugen uns zum Weihnachtsfest hinunter zur Krippe und finden in diesem Jesuskind Gott höchstpersönlich. Wir knien aber nicht nieder wegen seiner Kleinheit, sondern wegen seiner Größe! Dort liegt als Kind das letzte, bleibende Wort Gottes, der Abglanz seiner Herrlichkeit und das Ebenbild seines Wesens.

Dort liegt der, der höher als alle Engel ist, die Majestät in der Höhe. Zu dieser Größe gehörte auch, sich für uns klein zu machen. Was bleibt uns da anderes übrig, als uns zu beugen und ihn anzubeten?

Amen.

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