Gottesdienst zum 3. Sonntag nach Epiphanias

Auf der Seite "Andachten" finden Sie einen einen Gottesdienst von Pfarrer Schröder zum Hören, die Predigt folgt hier als Text und am Ende wieder als PDF verlinkt.

Predigt zum 3. Sonntag nach Epiphanias

Predigttext: Ruth 1,1-19a

Gebet: Herr, dein Wort sei unseres Fußes Leuchte und ein Licht auf unserem Weg. Amen.

Liebe Gemeinde,

wir befinden uns der Zeit des Alten Testaments, viele Jahrhunderte vor Chris-tus. Drei Frauen sitzen beieinander und schauen auf den Boden. Wie soll es nur weitergehen? Gibt es noch Hoffnung? Gibt es noch Zukunft?

Die alte Noomi erinnert sich. Zehn Jahre ist es nun her, dass sie hierher in das fremde Land gekommen war, ins Moabiterland. Damals gab es für sie und ihre Familie einfach keine andere Möglichkeit mehr. So groß war die Hungersnot in Israel. Sie und ihr Mann mussten die Sachen packen und mit den beiden Söhnen fliehen. So ka-men sie ins fremde Moabiterland. „Flüchtlinge“, so nannten manche Einheimische sie geringschätzig. Die Not aus der sie kamen, sahen sie nicht. Doch es gab auch andere, die ihre Türen aufmachten. Nach und nach hatten Noomi und ihr Mann Elimelech Fuß fassen können. Elimelech durfte bei der Ernte eines Landbesitzers mithelfen. So hatten sie ihr tägliches Brot. Langsam keimte wieder ein wenig Hoffnung in Noomi auf. Wird es nun wieder gut? Doch ihre Hoffnung währte nicht lange. Eines Tages kam ihr Mann von der Arbeit und klagte über Schmer-zen in der Brust. Die nächsten Tage wurde es immer schlimmer mit ihm. Und dann starb er. Noomi konnte es nicht fassen. Wieso trifft es sie nur so hart? Alleine in der Fremde musste sie nun ihre beiden Söhne versorgen. Die Beiden mussten nun selbst mit anpacken und für die Familie sorgen. Und das taten sie. Ihre beiden Söhne fanden Arbeit. Und sie fanden Frauen und heirateten. Endlich wieder fester Boden unter den Füßen, dachte Noomi. Doch ihre Erleichterung währte wieder nicht lange. Ein Unfall. Beide Söhne verunglückt. Viel zu jung.

Nun sitzen sie da, die drei Frauen. Noomi und ihre Schwiegertöchter Ruth und Orpa. Ihre Blicke gehen auf den Boden. Wie soll es nur weitergehen? Gibt es überhaupt noch Hoffnung? Gibt es überhaupt noch Zukunft? Noomi schaut Ihre Schwiegertöchter an und schüttelt den Kopf – traurig, mutlos, kraftlos.

Liebe Gemeinde,

eine ganz schön schwere Geschichte, die uns heute Morgen aus dem Buch Ruth begegnet. Eine Geschichte voll Not, Enttäuschung und Traurigkeit. Doch solche Geschichten gehören zum Leben dazu. Wollten wir sie nicht mehr erzählen, so würden wir einen großen Teil des Lebens ausklammern. Genau so, wie Noomi es erlebte, erleben es ja auch heute unzählig viele Menschen und Familien. Geflohen vor Hunger und Gefahr. Abgewiesen und abgegrenzt als „Flüchtlinge“. Und mittendrin in diesem Elend auch noch Krankheit und Tod. Wir sehen diese Bilder aus der Ferne und es macht sprachlos. Wie soll es für diese Menschen nur weitergehen? Ist da noch Hoffnung? Ist da noch Zukunft?

Vielen von uns ist solch ein abgrundtiefes Elend erspart geblieben. Gott sei Dank. Und doch kennen wir diese Fragen wohl ganz ähnlich. Auch in unserer reichen Gesellschaft sitzen Menschen mit gesenktem Kopf und fragen sich: Ist da noch Hoffnung? Ist da noch Zukunft?

Noomi steht auf. „Es gibt hier keine Zukunft mehr für mich. Ich mache mich auf in meine alte Heimat, nach Israel. Dort soll es wieder mehr Nahrung geben. Dort will ich meine letzten Lebenstage ertragen.“ Noomi packt ihre Sachen und macht sich auf. Ruth und Orpa tun es ihr gleich. Sie folgen ihrer alten Schwiegermutter. Einige Kilometer gehen sie schweigend nebeneinander her. Dann stoppt Noomi. „Ihr sollt hierbleiben. Lasst mich ein-fach gehen. Sucht Ihr euch neue Männer und gründet wieder Familien. Ihr seid noch so jung. Für euch gibt es noch Hoffnung. Für mich nicht.“ Doch Orpa und Ruth weigern sich. „Nein, wir lassen dich nicht einfach alleine gehen. Wir gehören zusammen und wir bleiben bei Dir.“ Mit tränenverweinten Augen liegen sich die Drei in den Armen. Wieder gehen sie einige Kilometer. Dann stoppt Noomi erneut. „Es ist nicht richtig, dass ihr mit mir geht. Mein Leben ist kaputt. Das muss ich ertragen. Aber ihr sollte es doch besser haben. Ich kann Euch nichts bieten.“ Wieder weinen die Drei miteinander – minutenlang. Da nimmt Orpa ihre Noomi in den Arm. „Ok, ich gehe zurück und suche mein Glück.“ Ein letzter Kuss auf die Wange besiegelt den schweren Abschied. Nun sind noch Noomi und Ruth beisammen. Doch Ruth ist hartnäckig. „Noomi, zwinge mich nicht, von Dir zu gehen. Ich bleibe an deiner Seite.“ Ein leichtes Lächeln zeichnet sich auf Noomis Gesicht. Denn sie erkennt, wie ernst es Ruth ist. Und so ziehen sie weiter, gemeinsam.

Liebe Gemeinde,

um Hoffnung müssen wir manchmal ganz schön ringen. Ähnlich wie Noomi, Ruth und Orpa miteinander rangen auf dem Weg. So stark kann die Resignation nach uns greifen, dass es scheint, dass da keine Zukunft mehr ist. Da kann es sein, dass es ein tränenvolles Ringen ist, sich neu aufzumachen und wieder hoffnungsvoll nach vorne zu schauen. Wer verzagte Menschen begleitet, der weiß, dass wir Hoffnung nicht so einfach zusprechen können. Da ist vielmehr das Mitweinen und Mitgehen gefragt. Und manchmal ist es dann auch dran, den Anderen vor-erst gehen zu lassen. In der Geschichte aus dem Buch Ruth finde ich es spannend, dass Ruth und Orpa verschie-dene Wege gehen. Und weder der eine noch der andere wird als richtig bezeichnet. Orpa nimmt den Wunsch der Noomi ernst. Und sie lässt sie ziehen – schweren Herzens. Und Ruth bleibt hartnäckig. Sie besteht darauf, an Noomis Seite zu bleiben und auch den womöglich schweren Weg mitzugehen.

Ruth verspricht ihrer Schwiegermutter Treue und findet dafür wunderbare Worte:

Wo du hingehst, da will ich auch hingehen; wo du bleibst, da bleibe ich auch. Dein Volk ist mein Volk, und dein Gott ist mein Gott. Wo du stirbst, da sterbe ich auch, da will ich auch begraben werden. Der HERR tue mir dies und das, nur der Tod wird mich und dich scheiden. (Ruth 1,16b-17)

Ich staune über dieses große Treueversprechen der Ruth. Und ich frage mich, was sie dazu treibt. Ist es nicht unvernünftig, dass sie – die junge Frau – sich so fest an das Schicksal ihrer Schwiegermutter bindet. Trotz aller Fragen tut sie es und ich staune.

Für Noomi änderte dieses großes Treueversprechen sicherlich vieles. Dass da jemand an ihrer Seite ist auf den sie sich auch in Zukunft verlassen kann, das gab ihr ein Lächeln aufs Gesicht. Das Versprechen „Ich bin und bleibe bei Dir“ ist das Beste, was wir Menschen in schweren Zeiten einander geben können. Wo Treue und Zusam-menhalt ist, da kann neue Hoffnung aufkommen. Und neuer Mut für die Zukunft.

Für mich sind die großen und wunderbaren Worte der Ruth dabei wie ein Spiegel der Treue Gottes. „Wo du hingehst, da will ich auch hingehen; wo du bleibst, da bleibe ich auch“. Dass wir auf allen Wegen von Gott begleitet sind, das ist das große Versprechen der Bibel. Das ist es, weshalb Gott einer von uns wurde. Das ist es, was Jesus seinen Jüngern zugesagt hat. „Ich bin bei euch alle Tage.“ (Mt 28,20) So können wir die Worte der Ruth auch als ein Spiegelbild der Treue Gottes hören. Auch wenn unser Leben im Dunkel versinkt, können wir uns der Nähe Gottes gewiss sein. Da ist Hoffnung. Da ist Zukunft.

Das galt auch für Noomi. Sie erfuhr nicht allein die Treue der Ruth. Als sie in Israel ankam, durfte sie Gottes Treue erleben. Ruth fand einen Mann und gründete Familie. Noomi wurde Oma und durfte ihrem kleinen Enkel beim Spielen zuschauen. Viele Jahrhunderte später wurde aus ihrem Stammbaum ein ganz besonderes Kind geboren: Jesus Christus. Darauf weist der Evangelist Matthäus hin (Mt 1,5). Das ist wohl mehr als Noomi sich je hätte vorstellen können. Aus ihrer Resignation und Verzweiflung hatte Gott Großes hervorgebracht: Hoffnung und Leben für diese Welt. In Jesus Christus, unserem Herrn.

Amen.

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