Gottesdienst zum 4. Sonntag nach Trinitatis

Auf der Seite "Andachten" finden Sie einen einen Gottesdienst von Pfarrer Schröder zum Hören, die Predigt folgt hier als Text und am Ende wieder als PDF verlinkt.

Predigt zum 4. Sonntag nach Trinitatis

05. Juli 2020

Hört Gottes Wort aus dem Buch Micha im 7. Kapitel: 

„Wo ist solch ein Gott, wie du bist, der die Sünde vergibt und erlässt die Schuld denen, die übrig geblieben sind von seinem Erbteil; der an seinem Zorn nicht ewig festhält, denn er ist barmherzig! Er wird sich unser wieder erbarmen, unsere Schuld unter die Füße treten und alle unsere Sünden in die Tiefen des Meeres werfen. Du wirst Jakob die Treue halten und Abraham Gnade erweisen, wie du unsern Vätern vorzeiten geschworen hast.“ (Micha 7,18-20) 

Liebe Gemeinde, 

der Prophet Micha staunt. Und ich möchte Euch heute einladen mit ihm zu staunen. Denn Micha staunt über unseren Gott. Denn Gott ist barmherzig und vergibt. 

Vergeben, das ist ja gar nicht so einfach. Wo Menschen an mir schuldig werden und ich die Last davon zu tragen habe, da ist es gar nicht so einfach und schon gar nicht selbstverständlich, zu sagen: Ich verzeihe Dir. Und doch funktioniert das Leben in dieser Welt nur dann, wenn wir genau das schaffen: Einander mit Nachsicht und Vergebung zu begegnen. Denn Fehler machen wir alle immer wieder. Mit dem heutigen Evangelium gesprochen: Ein jeder hat seinen Splitter oder Balken im Auge. Und daher brauchen wir Vergebung, um überhaupt gemeinsam leben zu können. 

Doch es gibt Situationen, wo es scheint, dass Vergebung unmöglich ist. Z.B. da, wo man sich in einer Beziehung oder in der Familie so ganz fest vertraut hat und dieses Vertrauen gebrochen wurde. Da kann die Verletzung der Seele so tief sein, das der Satz näher liegt: Das vergebe ich Dir niemals. Und andersherum leidet auch manch einer darunter, dass er sich selbst sagt: Das vergebe ich mir niemals. 

Im Buch Micha bekommen wir in vielen Facetten vor Augen geführt, dass diese Welt an Gott, ihrem Schöpfer, schuldig wird. Da bereichern sich die Reichen auf Kosten der Armen. Da nutzen die Mächtigen ihre Macht vor allem zu ihrem eigenen Vorteil. Da suchen die Menschen Hilfe an allen möglichen Stellen. Nur an den Gott Israels denken sie nicht. 

Diese Aufreihung ist schon über 2500 Jahre alt und hat doch nichts von ihrer Aktualität verloren. Auch heute leben wir auf Kosten anderer. Unsere oft grenzenlose Lebensweise beutet Menschen und Tiere aus und zerstört und vermüllt unsere Umwelt. Macht wird missbraucht, um selbst gut dazustehen. Und nach Gott wird dabei nicht gefragt. Wenn in unseren Nachrichtensendungen über die Abgründe dieser Welt berichtet wird, dann bin ich oft sprachlos. Wie kann das nur sein? 

Doch sprachlos bin ich manchmal auch über mich selbst. Wie kann das nur sein? Dass ich schon wieder wegen einer Kleinigkeit aus der Haut gefahren bin? Warum war ich so ungerecht und eigensinnig? 

Wenn man all die Splitter und Balken dieser Welt bedenkt, dann wäre es nur all zu verständlich, wenn Gott, der seine Welt sehr gut geschaffen hat, den Kopf schütteln würde über so viel Unfrieden, Eigensinn und Egoismus. Und im Buch Micha wird auch etwas deutlich davon, dass es Gott nicht unberührt lässt, wenn seine Schöpfung ihn missachtet. Da ist die Rede vom Zorn Gottes. 

Und doch hören wir ganz am Ende bei Micha so ganz andere staunende Worte: „Wo ist solch ein Gott, wie du bist, der die Sünde vergibt und erlässt die Schuld (…) der an seinem Zorn nicht ewig festhält, denn er ist barmherzig! Er wird sich unser wieder erbarmen, unsere Schuld unter die Füße treten und alle unsere Sünden in die Tiefen des Meeres werfen. „ 

Micha staunt über Gott, weil der sich so anders zeigt als zu erwarten. Gott schafft es zu vergeben. Sein Zorn hat nicht das letzte Wort über unsere Welt. Ganz am Ende steht etwas anderes: Barmherzigkeit. 

Schaue ich auf das hebräische Wort für Barmherzigkeit, dann verstehe ich ein Stück mehr, was damit gemeint ist. Das Wort racham kommt nämlich von einem Wort, das übersetzt Mutterleib oder Mutterschoß heißt. Barmherzigkeit bedeutet also, dass Gott zu uns wie eine gute Mutter ist, die ihre Kinder trotz allem liebt und sie mit offenen Armen empfängt. Gott kann und will nicht davon ab, trotz allem mit liebenden Augen auf uns zu schauen. Und darum vergibt er uns unsere Schuld und unsere Sünde. 

Micha findet dafür ein fantastisches Bild. Gott nimmt unsere Schuld, mit der wir ihn und einander verletzen, und schmeißt sie an die tiefste Stelle des Meeres. 11.000 m tief ist der Mariannengrabe, der tiefste Meerespunkt der Welt. Dort ist es stockduster und ohne Ausrüstung kann kein Mensch dort hinkommen. Dorthin wirft Gott das, was uns voneinander trennt. Es soll niemals mehr ans Tageslicht kommen. 

Am Kreuz von Golgatha ist genau das geschehen. Jesus Christus ist in die tiefste Tiefe dieser Welt gestiegen als er für uns starb. Am Kreuz sehen wir den Gott, der allen Zorn und alle Strafe auf sich selbst genommen hat und bis in die tiefste Tiefe weggetragen hat. Denn er ist barmherzig. Von dieser Barmherzigkeit Gottes allein lebt unser Glaube, unser Lieben und unser Hoffen. 

Liebe Gemeinde, mit Micha lasst uns immer wieder staunen über den barmherzigen Gott, der mit offenen Armen uns begegnet. Bei ihm ist Vergebung. Und bei ihm können dann auch unsere Arme immer wieder offen werden für die Barmherzigkeit und für die Vergebung. 

Amen. 

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