Gottesdienst zum 5. Sonntag nach Trinitatis

Auf der Seite "Andachten" finden Sie einen einen Gottesdienst von Pfarrer Schröder zum Hören, die Predigt folgt hier als Text und am Ende wieder als PDF verlinkt.

Predigt zum 5. Sonntag nach Trinitatis

12. Juli 2020

 

 Gottes Wort für diese Predigt steht im Evangelium des Lukas im 5. Kapitel, Verse 1-11. 

Liebe Gemeinde. Was ist das für eine Geschichte gewesen? Eine, die uns von Christus erzählt: so ist er, unser Herr und Meister, und so handelt er und so lässt er unglaubliche Dinge geschehen? 

Oder ist es eine Geschichte über Petrus: so, liebe Gemeinde, sollst du auch sein; gegen alle Vernunft und Erfahrung dem Wort Jesu vertrauen, schließlich alles verlassen und Jesus nachfolgen? Oder müssen wir das gar nicht entscheiden, sondern lassen das eine wie das andere stehen, ohne es gegeneinander auszuspielen oder zu werten? 

Dann beobachten wir also zunächst einfach, was Lukas berichtet. Und er berichtet sehr genau von Jesus, sodass wir Bibelleser und Predigthörer heute sehr viel über ihn erfahren. Es beginnt schon sehr eindrucksvoll – Mengen von Menschen bedrängen ihn regelrecht, rücken ihm auf den Leib, sammeln sich so zahlreich, dass er kaum den Platz hat, auf dem seine Füße stehen. Die Menge kommt, um das Wort Gottes zu hören. 

Was und wie Jesus redet, zieht Menschen an. Er redet vom Reich seines Vaters, mit einfachen Worten. Mit Vergleichen aus dem Leben der Menschen sagt er ihnen, wie es bei Gott zugeht. Und das war deutlich anders, als sie bislang vermutet hatten. Dabei heißt das gar nicht, Jesus habe völlig Anderes von Gott geredet, als es die Schriften des Moses und der Propheten getan hätten. Aber sie selber kamen darin nicht vor. Und wenn dann nur so, dass man ihnen sagte, was sie tun müssen und welche Regeln sie befolgen müssten, um Gottes Willen zu erfüllen – aber es gar nicht könnten. Aus dem Mund Jesu hören sie dann doch ganz neu, wie Gott mit den Armen umgeht, mit den Gefangenen, mit den Blinden, mit den Traurigen und Gescheiterten. 

Plötzlich stehen nicht mehr Urteile und Forderungen im Mittelpunkt, sondern dass Gott Erbarmen mit den Menschen hat. Das stand zwar auch schon bei Jesaja – aber so richtig erleben konnten die Menschen das nicht. Jetzt bei Jesus erleben sie das – und das ist tatsächlich neu, etwas nicht nur hören und glauben müssen, sondern jetzt am eigenen Leib, in der eigenen Familie, im eigenen Dorf erleben. Davon können Menschen nicht genug kriegen, darum drängen sie sich an ihn heran. Sie wollen Leben erleben und Liebe und Heilung und Gesundheit. So ist das Reich Gottes, so, dass im Grunde jeder dabei sein möchte. So erzählt Jesus – er lehrt das Volk; er erklärt ihnen, wie die Menschen sind und warum sie so sind; er erklärt ihnen, wie Gott ist und wie er mit seinen Menschen umgeht; er macht ihnen Zusammenhänge deutlich, damit sie Gottes Willen verstehen, damit sie wissen, wo das Leben hinführt. Das ist allerdings auch neu, denn gelehrt hatte die Menschen keiner; das Volk wurde nicht gelehrt, das wurden nur die Gelehrten, das Volk war nicht wichtig. Aber bei Jesus ist es nun wichtig. Die namenlose, aufdringliche Menge, bei Jesus wird sie wichtig; so wichtig, dass er ihr alles erklärt, was zum Leben, zum Reich Gottes wichtig ist. Kein Spezial- oder Geheimwissen – Leben für alle, Reich Gottes für alle. Da braucht er etwas Abstand, damit möglichst viele ihn hören können; darum bittet er Petrus, mit dem Boot ein wenig vom Ufer weg zu fahren. Und dann redet er weiter vom Reich Gottes zu den Menschen, er lehrt sie, er hilft ihnen zum Verständnis, zur Hoffnung, zum Glauben. Die Menge ist ihm wichtig – und das sollen nun auch Petrus und seine Kollegen erfahren. Man mag diesen Fischfang ja bloß für eine nette wundersame Geschichte halten, die 

dem Petrus zeigt, was Jesus alles kann. Aber auch dabei geht es um die Menge der Menschen, die Jesus im Blick hat. Beim Fischfang kennt Petrus sich aus, aber wie das ist mit den Menschen und dem Reich Gottes, das weiß er nicht, das lehrt ihn aber Jesus. Fahre hinaus, wo es tief ist, und werft eure Netze zum Fang aus. Das ist die einzige Anweisung, die Jesus in diesem Abschnitt gibt; ansonsten bittet er. Aber er sagt klar, was zu tun ist. Nur: es ist ziemlich unsinnig. Die Argumente liegen jedem auf der Zunge, der sich ein wenig auskennt. Weißt du, Jesus, das haben wir schon die ganze Zeit gemacht, wir haben wirklich alles versucht, aber es geht nicht. Es geht nicht und es kann auch nicht gehen. 

Ein Einwand, den wir aus der Gemeinde zur Genüge kennen. Das haben wir schon so oft versucht, angesprochen, eingeladen, es kommt ja doch keiner, es hat ja doch keinen Zweck. Erfahrungen sind das, keine Ausreden. Wir sind sicher so erfahren wie Petrus beim Fischfang. Und die Erfahrung sagt: es bringt nichts, die Leute anzusprechen; wir haben es doch schon so oft versucht. Sie reagieren nicht. Und dann gibt man irgendwann auf; oder man sagt: lass es uns doch anderswo versuchen, bei vielleicht willigeren Menschen. Aber Jesus gibt diese komische, sinnlose, gegen alle Erfahrung sprechende Anweisung, dahin zu fahren, wo sie es schon ausgiebig erfolglos versucht haben. Da wo es tief ist. Wo also oberflächlich nichts zu gewinnen ist, wo es womöglich unangenehm ist, fremd; wo man sich auf Gespräche einlassen muss, die man selber gar nicht möchte, wo man nicht seine eigenen Ideen und Gedanken loswerden und andere hinführen kann, sondern wo man selber bewegt wird, neue – oder ganz alte – Standpunkte betreten muss, um jemanden zu verstehen. ‚wo es tief ist’ – das heißt jedenfalls nicht, dass es einfach oder bequem wäre. Es heißt aber offensichtlich, dass der Auftrag Jesu aller Kenntnis und Erfahrung von Petrus und seinen Kollegen widerspricht. ‚Auf dein Wort’, das sich Erfahrung und Wissen widersetzt. Dass Petrus sich darauf einlässt, lässt ihn eine neue Erfahrung machen, die mehr als unglaublich ist. Solch einen Fang hat er nicht mal dann gemacht, wenn es eigentlich am sinnvollsten ist. In einem Kinderlied über den Jünger Petrus heißt es zu dieser Geschichte: ‚Das war erst der Anfang, ihr werdet es sehn; wo Jesus ist, können Wunder geschehn.’ Aber kein Wunder nach dem Vorbild: jetzt können wir zu jeder Zeit mit dem Boot rausfahren, die Netze werden immer voll sein; oder: ‚weil wir an Jesus glauben, werden wir immer vollen Erfolg haben’. Petrus bricht nicht in Jubel aus; weder feiert er Jesus, noch lässt er sich etwa von den Leuten beklatschen. Da passiert etwas ganz anderes. Dieses Wunder öffnet ihm doppelt die Augen; dafür nämlich, wer Jesus ist, und dafür, wer er selber ist. Zwei Welten prallen aufeinander, die nicht zusammenpassen. Und darum ist von Siegesgeheul nichts zu hören, sondern von Erschrecken. Angst darüber, dass die Jünger an Jesus erleben, wer sie selber sind und wie weit sie von Gott weg sind, ehrlicherweise. Womit sie nicht rechnen, nicht rechnen können, dass Jesus zusammenführt, was nicht passt; dass er die fremden Welten zusammenbringt. ‚Fürchte dich nicht’. 

Da fallen Weihnachten und Ostern zusammen – wenn die Distanz zwischen Gott und Menschen überbrückt wird; wenn den Menschen Nähe geschenkt wird, die sie nicht verdienen; wenn Jesus nicht weggeht, sondern im Gegenteil zusammenruft. Der wunderbare Fischzug wird zum Bild, was Jesus mit den Menschen vorhat – nicht einfangen und gegen ihren Willen festhalten - sondern so vom Leben reden, dass die Menschen spüren: das ist genau, was wir suchen und wonach wir uns sehnen. Keine Frage, dass die Menschen sich danach drängen; kein Wunder mehr, dass einer loslässt, was er bis dahin festgehalten hatte, um das nicht nur zu hören, sondern zu erleben. Um die Eingangsfrage aufzunehmen: es ist keine Geschichte, die uns den Petrus als Beispiel vor Augen setzt: so sollt ihr auch alles stehen und liegen lassen um Jesus nachzufolgen. Aber an Petrus, der dazu gar keinen Befehl erhält, sehen wir: wenn jemand hört, was Jesus sagt, und sieht, wie Jesus handelt, dann braucht es keine Anweisung mehr. Ein solcher Mensch wird Menschen fangen, der wird erzählen, wovon er selbst begeistert ist, was sein Leben verändert hat und was es jetzt bestimmt. Nein: wer! Also doch: eine Geschichte über Jesus Christus.

Amen. 

Verfasst von Pfarrer Andreas Schwarz; Pforzheim

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